opeth - Deliverance / Damnation

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Wenn ich schon diese Coverbilder sehe: Norman Bates' Mutter scheint in die verfallene Hausruine von Blair Witch Project eingezogen zu sein, also alles typisch Opeth. Herrlich, diesen gruseligen Verfall anzusehen (in meinem Wohnort gibt's ein paar Ecken, die sehen wirklich so ähnlich aus...).

Wer die Vorgängeralben kennt, weiß, was musikalisch geliefert wird: Deathmetal mit ruhigeren Passagen, die - seit Steven Wilson produziert und mitwirkt - gelegentlich etwas (manchmal auch stark) an Porcupine Tree erinnern. Dieses Konzept kam auf "Blackwater Park" am überwältigendsten rüber und wird hier in perfektem Sound weitergeführt: so perfekt zuweilen, dass es für kritische Ohren schon kalt klingen mag - berechenbar wie ein Uhrwerk hämmern zuweilen die Drums, dröhnen die Gitarren, donnert der Bass. Wann es ruhig wird, ahnt man auch schon: wer "Blackwater Park" genau kennt, wird hier kaum noch überrascht.

Und so ist es nur folgerichtig, dass der Spruch "Wenn's am schönsten ist, soll man aufhören" jetzt geradezu nach Umsetzung schreit; die Gruppe inklusive Wilson scheint das auch so empfunden zu haben und nahm ungefähr gleichzeitig zu "Deliverance" ein weiteres Album auf, das unter dem Titel "Damnation" kurze Zeit später tatsächlich für Überraschungen unter den Fans sorgen sollte - aber das ist eine andere Geschichte.

Tja, kalte Perfektion ist ein Vorwurf, der gegenüber prog-relevanter Musik schon oft geäußert wurde, aber selbst wenn er berechtigt ist, heißt das noch lange nicht, dass man nicht trotzdem davon schwärmen kann. Man kann das auch hier: egal, wie nachdrücklich mein Verstand mir die Kritikpunkte klarmacht, ich kann mich der Anziehungskraft dieses Albums unmöglich entziehen.

Das besondere Meisterstück ist der Titeltrack "Deliverance", der nur so von Abwechslungsreichtum strotzt, ohne jedoch verwirrend zu werden; noch nie haben die harten und ruhigen Teile ein so harmonisch gefügtes Ganzes ergeben, und es ist unbeschreiblich, wie hier rangeklotzt und jede Idee Sekunden später noch übertroffen wird, kein Problem auch die vielen Breaks und überwältigend die Anpassungsfähigkeit des Schlagzeugs. Echt Wahnsinn - soll aber nicht heißen, dass die anderen Titel schwach sind. "A fair judgement" zum Beispiel ist ein Song ohne Grunt-Vocals, aber dennoch würde ich nicht sagen, dass hier schon auf "Damnation" vorverwiesen wird, denn dazu ist das Arrangement der meisten Teile noch zu heavy. "For absent friends" ist dann ein kurzes, sehr einfühlsames Instrumentalstück (Erinnerung an Camel!), bevor schließlich auf den beiden Schlusstracks noch einmal zum großen Schlag ausgeholt wird. Der Opener "Wreath" ist vordergründig ein kaum unterbrochener Durchmarsch-Rocker, aber man achte mal auf den Percussion-Einsatz! Herrlich sind auch die über das Album verteilten gruselig klingenden Halbtonschritte, und die Stücke 1-3 gehen fast ineinander über und halten die atemberaubende Spannung aufrecht - beim ersten Hören sollte man schon mal einen Blick auf das Display des Players werfen, um richtig folgen zu können.



Genug geschwärmt. Ich sage mal: wer bisher Berührungsängste zum Deathmetal hatte, sollte diese Scheibe mal ausprobieren - hier gibt es dieses Genre in geradezu gesellschaftsfähiger Perfektion, was der düsteren Stimmung trotzdem keinen Abbruch tut. Wer andererseits findet, von "Blackwater Park" schon genug gehabt zu haben, kann auf "Deliverance" wahrscheinlich ganz gut verzichten. Und wer den geliebten Porcupine-Tree-Stil mal in ganz anderem Gewand hören wollte: sofort zugreifen!

Henning Mangold




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Da ist es also, jenes Album auf dem Opeth (vorübergehend) ihre Death-Metal Roots komplett abgeschworen haben. Wie angekündet befindet sich konsequenterweise auf "Damnation" dann auch kein einziger "Grunzer" mehr. Der bekannte Wechselgesang (mal Growls, mal cleane Vocals) von Mikael Akerfeldt fiel demnach dem Rotstift zum Opfer. Schade, ist er doch für viele Fans ein Markenzeichen von Opeth und hebt die Band von der breiten Masse ab.

Doch es gibt noch weitere einschneidende Veränderungen im Gesamtsound, die dem alten Fan und insbesondere den Metal-Hörern - schliesslich kommen Opeth aus der Metalszene - übel aufstossen werden. Der Anteil an harten Gitarren tendiert nämlich gegen null. Vielmehr haben wir es hier mit einem typischen 70's Rockalbum zu tun, angereichert mit viel Mellotron, akustischen Gitarren und einer modernen Produktion, für die sich einmal mehr Steven Wilson von Porcupine Tree verantwortlich zeichnete. Aber auch der PT-Mastermind konnte nicht verhindern, dass "Damnation" streckenweise vor sich hinplätschert und mit der Zeit ein wenig die Spannung vermissen lässt. Es wird einfach zu wenig Abwechslung geboten, und den Songs fehlen die zündenden Ideen, um den Hörer langfristig zu fesseln. Der Scheibe hätte sicherlich 2-3 Tracks gut getan, bei denen das Tempo mal angehoben oder zumindest variiert wird.



Härtemässig rangieren Opeth auf "Damnation" gar noch hinter den bereits genannten Porcupine Tree. Gemeinsam haben beide Bands die immer wieder aufkeimende Melancholie, die wirklich überzeugend rüberkommt und Herbstfeeling vermittelt. Demnach ist der Releasezeitpunkt mitten im Sommer freilich nicht besonders geschickt gewählt. Insgesamt ist "Damnation" also eher ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite schimmern immer wieder schöne Akustikparts durch, die zu begeistern wissen, aber auf der anderen Seite fehlen dem Album die ganz grossen Momente. Porcupine Tree Anhängern dürfte das Ganze aber gut gefallen, diese sollten "Damnation" ruhig mal ein Ohr schenken. Ich persönlich warte lieber auf das nächste, hoffentlich wieder härtere Opeth Album.

Sebastian Bodden

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